Liebe & Sex
Die Liebesfrage: Wie bewältigt man Altlasten aus früheren Beziehungen?
- Text: Bettina Disler
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Alle zwei Wochen beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Bettina Disler eine Frage zum Thema Liebe oder Sex. Diesmal geht es darum, wie man mit dem Rucksack an Erfahrungen und Verletzungen umgehen kann, den ein:e Partner:in mit in die Beziehung bringt.
Da praktisch niemand fehlerfrei ist, tragen wir alle die unterschiedlichsten Altlasten mit uns herum. Ungelöste Probleme bleiben so lange in unserem Rucksäckli liegen, bis wir sie herausnehmen, benennen und schlussendlich klären. Das bedeutet jedoch Arbeit und so manch eine:r bevorzugt es, lieber eine schwere Last zu tragen, als diese aufzuarbeiten.
Interessanterweise treffen wir im Leben aber immer wieder auf Menschen, die uns eine Lösung für unsere Probleme anzubieten hätten. Nicht umsonst sieht der renommierte Paartherapeut David Schnarch Beziehungen als «people growing machine»: Als ein Instrument, welches Menschen die Möglichkeit gibt, aneinander zu wachsen.
So gesehen bieten ungelöste Probleme Futter für jede Beziehung, was jedoch von allen Beteiligten auch ein gewisses Mass an Teamwork abverlangt: Wachsen heisst nicht, die eigenen Probleme vom Gegenüber lösen zu lassen, sondern dafür Verantwortung zu übernehmen und von der anderen Person zu lernen, wie man sie selbst lösen kann.
Dies stärkt das gegenseitige Vertrauen und macht die gemeinsame Reise umso spannender. Sinngemäss agiert eine Beziehung also als unsere «Freundin und Helferin», deren Aufgabe jener der Forensik gleicht: Man stelle sich vor, es gäbe keine Fälle mehr zu lösen, wir würden alle stagnieren und nur noch faul herumliegen. In der Konsequenz ist zudem noch die Spannung weg!
«Wir entscheiden stets selbst, was wir als Last betrachten und was als Potenzial»
Jedoch können zu viele ungelöste Probleme den Bogen auch überspannen. Dann fühlt sich der Rucksack so schwer an, dass man sich nicht mehr bewegen kann. Man bleibt gefangen im eigenen Korsett. Deshalb gilt es, in jeder Beziehung klar zu unterscheiden, welche Altlasten gemeinsam bewältigt werden können und welche man unabhängig von dem:der Partner:in zuerst selbst in Angriff nehmen muss.
Eigene Beziehungsmuster mit Nähe-Distanz-Themen, krankhafter Eifersucht oder fehlender Impulskontrolle beispielsweise können so festgefahren sein, dass es unabdingbar ist, diese vorab mit einer professionellen Person anzuschauen, bevor man sie mit dem Gegenüber angeht und durchbrechen kann.
Zu den fiesesten Altlasten zählen jedoch jene, die sich uns unter Fremdeinwirkung aufdrängen: Wenn Expartner:innen ihre Probleme auf uns abwälzen und damit die Gegenwart negativ beeinflussen, kann das sehr mühsam werden. Insbesondere wenn noch Kinder im Spiel sind, wird es umso schwieriger, die Balance zu halten, ohne dass jemand davon unbeeinträchtigt hervorgeht.
Wenn indes das Schaukeln zu anstrengend wird, gilt es Tabula rasa zu machen, sprich die eigene Position klar zu beziehen und sich gegen die Fremdeinwirkung so gut es geht abzugrenzen. Man kann niemanden ändern, auch nicht deren Sicht auf die Dinge, aber den eigenen Umgang mit der Situation schon. Denn wir entscheiden stets selbst, was wir als Last betrachten und was als Potenzial.