Die Liebesfrage: Kann man als Langzeitsingle überhaupt noch daten?

Können schon. Vielmehr stellt sich die Frage: will man denn? Es gibt Langzeitsingles, die nicht auf der Suche nach neuen Bekanntschaften sind. Sie finden ihr Leben gut so, wie es ist. Sie wollen also auch kein Date. Andere wiederum wollen schon, aber… Und da lohnt es sich hinzuschauen, für was genau dieses Aber steht. Denn es ist unmöglich, Gas zu geben, wenn man gleichzeitig den Bremsklotz bedient.

Einer meiner Lieblingssätze lautet: Wo das Nein aufhört, fängt das Ich an. Beim Daten ist das Ich essenziell. Wenn man selbst kein Gegenüber sein kann, wird man auch keins für sich finden. Mir fällt auf, dass viele bei ihrem Nein bleiben. Der Text von Online-Profilen handelt nicht selten von dem, was man nicht will: keine Kinder, keine Raucher:innen, keine 0815-Gespräche. Das ergibt keinen Text, der jemanden anspricht, sondern einen darüber, wen man nicht daten will. Ist das ein Köder, bei dem du anbeissen würdest?

Doch wenn man weiss, wen man nicht daten will, kann der Fokus auf das «wen stattdessen» als Kompass dienen. Zumindest ist die Chance, dass bei diesem Köder jemand anbeisst, wesentlich höher. Doch ein Köder nützt einem nichts, wenn man ihn am falschen Ort auswirft.

Je klarer einem ist, was für ein Fisch anbeissen soll, umso eher sucht man die Gewässer auf, in denen sich dieser Fisch aufhalten könnte. Je höher jedoch die Erwartungen sind, desto weniger solcher Fische schwimmen im Becken. Das wiederum verringert die Chance auf einen Fang und die Suche kann zäh und mühsam werden. Es gibt Langzeitsingles, die angeln bereits seit Jahren da, wo sich ihre Beute tummelt, dennoch beisst niemand so richtig an.

Das könnte nicht nur an zu hohen Erwartungen liegen, sondern auch daran, dass viele bereits in Gedanken zu stark auf das Ziel fokussiert sind, nämlich bei einer klaren Vorstellung ihrer zukünftigen Beziehung. Sie verpassen es schlicht, beim Daten anwesend zu sein. Metaphorisch gesprochen: Sie verpassen es, mit der Angel im richtigen Moment den Anhieb zu setzen.

Drehen wir mal den Spiess um: Stell dir vor, du wärst ein Fisch und die Köder werden dir vor die Nase gehalten. Du beisst aber nicht an, weil du denkst, dass noch ein besserer Happen kommen wird. Oder weil dir noch schlecht ist vom Letzten. Je mutiger und experimentierfreudiger du jedoch bist, desto grösser kann die Überraschung für dich werden: beiss an!

Dabei geht es nicht in erster Linie darum, jemand neuen kennenzulernen, sondern sich selbst in der Begegnung mit jemand anderem: Was macht dieses Gegenüber mit mir? Was löst es in mir aus? Dein Ich wird damit bereichert, mit neuen Ideen, mit neuen Erfahrungen, mit neuen Jas und Neins. Daten ist vorerst mal nur das. Zu erfahren, wie man sich dabei fühlt. Im Ich präsent sein. Das wiederum zieht andere an. Daten ist ein Spiel, dessen Ende niemand kennt.

Die Voraussetzung für ein Date ist also ein Ja. Ein Ja zum Loslassen von fixen Vorstellungen. Es ist die Voraussetzung, um gemeinsam überhaupt erst mal abheben zu können. Und genau bis hierhin geht daten. Ob du dann springen willst, das bleibt noch offen. Es heisst ja nicht umsonst «Falling in Love».