Liebe & Sex
Die Liebesfrage: Funktioniert eine Beziehung auch ohne Sex?
- Text: Bettina Disler
- Bild: Stocksy; Collage: annabelle
Alle zwei Wochen beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Bettina Disler eine Frage zum Thema Liebe oder Sex. Diesmal geht es um Sexlosigkeit in Beziehungen.
Alle Beziehungen beinhalten eine oder mehrere Partnerschaftsebenen. Die bekannteste Konstellation, wenn man von einer Beziehung spricht, besteht aus drei Ebenen: der Liebespartnerschaft, einer Sexualpartnerschaft und einer Freundschaftspartnerschaft. Hat ein Paar Kinder, kommt die Elternpartnerschaft hinzu, und einige Paare teilen zusammen sogar auch noch eine Geschäftspartnerschaft. Man kann maximal fünf Partnerschaften mit einer Person gleichzeitig führen.
In sogenannten asexuellen Beziehungen fehlt die Sexualpartnerschaft. Hier sind oftmals die Liebes- und Freundschaftspartnerschaft tragende Säulen.
Problematisch wird es, wenn in einer Beziehung keine Sexualität mehr stattfindet oder nicht mehr stattfinden kann, diese jedoch von mindestens einer Person gewünscht wird. Das kann zwar eine Weile klappen, doch früher oder später werden sich die Beteiligten mit ihrer Sexualpartnerschaft auseinandersetzen müssen: Ist sie in den Tiefschlaf gefallen oder gar schon gestorben?
«Allein schon, dass man sich darüber Gedanken macht, heisst, dass Sexualität eine Rolle spielt»
Wie in allen Bereichen des Lebens gilt auch hier, zunächst einmal die Umstände als eine Phase und nicht als fix gegeben zu betrachten. Diese Haltung ist wichtig, denn sie schafft Raum für Gedanken – beispielsweise dafür, wohin sich die eigene Sexualität und die Sexualpartnerschaft entwickeln könnten. Allein schon, dass man sich darüber Gedanken macht, heisst, dass die Sexualität nicht abwesend ist, sondern doch eine Rolle spielt.
Eine Beziehung ist stets im Wandel, und damit sie nicht nur funktioniert, sondern auch alle Beteiligten weiterhin aneinander wachsen können, braucht es den Mut, sich mit sich selbst und mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen – insbesondere wenn es um das Thema der sexuellen Intimität geht.
Solange sich Paare in einem solchen Austausch offen begegnen, auch wenn sie physisch vielleicht gerade in einer sexlosen Phase sind, kann so eine Beziehung zeitweise auch ohne Sex für alle befriedigend verlaufen. Und wenn sich alle Beteiligten darüber einig sind, sich sexuell nicht (mehr) austauschen zu wollen, kann auch eine solche Art der Beziehung durchaus gut funktionieren.
Bettina Disler arbeitet in ihrer Praxis in Zürich als Paar- und Sexualberaterin und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. Sie hat ein eigenes Modell entwickelt, mit dessen Hilfe sich Bewegung in festgefahrene Beziehungen bringen lässt. 2019 hat Disler beim Klett-Cotta Verlag ein Fachbuch zu den Themen Lustlosigkeit, Entfremdung und Affären veröffentlicht.