Brigitte (51): «Je älter ich werde, desto eher kann ich die Flecken annehmen»
- Text: Barbara Loop
- Bild: Sara Merz
In unserer Rubrik «Bodybuilding» zeigt sich eine Frau nackt – und erzählt, welches Verhältnis sie zu ihrem Körper hat.
«Am Tag nach meinem elften Geburtstag liessen sich meine Eltern scheiden, wenige Wochen später tauchten die ersten Flecken auf. Sie bildeten sich symmetrisch an den Knien und Ellenbogen. Mein Umfeld hat sie als Reaktion auf die Trennung gedeutet. Ich fühlte mich befleckt, wie eine Aussätzige. Ich schämte mich sehr.
Vitiligo ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper das Melatonin zerstört. Neben erblicher Vorbelastung können auch psychische Faktoren den Verlauf beeinflussen. Wie die Trennung, die ich erlebt habe. Lang blieben die Flecken stabil, nach einer Psychotherapie, in der ich als junge Frau vieles aufgearbeitet habe, bildeten sie sich teilweise sogar zurück.
«Heute feiere ich die Diversität»
Doch Vitiligo ist eine chronisch-progressiv verlaufende Krankheit, auch Hormonumstellungen können den Verlauf beschleunigen. Während meiner drei Schwangerschaften entdeckte ich weitere Herde. Jedes Mal ein Gefühl wie ein freier Fall im Vakuum. Irgendwann erreichten die Flecken mein Gesicht. Ich fühlte mich entstellt, besonders im Sommer, wenn der Kontrast stärker sichtbar wurde.
Je älter ich aber werde, desto eher kann ich die Flecken als Teil von mir annehmen. Winnie Harlow, das Model mit Vitiligo, gab mir Mut. Ebenso meine älteste Tochter, die ‹Tiger im Fleck› auf meinem Rücken liebt, und natürlich die Arbeit an mir selbst. Heute feiere ich die Diversität. Meine Tochter ist Halb-Inderin, mein jüngster Sohn ist sehr hellhäutig – ich trage alle Farben meiner Kinder.» – Brigitte (51)