Liebe & Sex
Autorin Katja Lewina: «Durch meine Ex-Freunde habe ich mich selbst kennengelernt»
- Text: Mareice Kaiser
- Bild: Manuela Clemens
Die Autorin Katja Lewina hat für ihr aktuelles Buch ihre Ex-Freunde getroffen. Was hat sie daraus gelernt, was wir alle lernen können?
«Ja. Das ist alles passiert. Nur vielleicht ein kleines bisschen anders.» Das schreibt Katja Lewina zu Beginn ihres Buchs «Ex». Darin begibt sich die deutsche Autorin auf eine Spurensuche ihrer Beziehungen. Warum sind sie gescheitert? Ist scheitern überhaupt das richtige Wort? Was kann man lernen, wenn man Ex-Freund:innen trifft? Katja Lewina entdeckt psychologische Muster, die viel mit ihr selbst, aber auch mit unserer Gesellschaft zu tun haben.
annabelle: Ich habe mal einen Ex-Freund nach langer Zeit zufällig auf der Strasse wiedergetroffen. Wir haben spontan Kaffee getrunken und gequatscht. Irgendwann erzählte ich von einem toxischen Ex-Freund. Er wurde still und sagte: «Du bist meine toxische Ex-Freundin.» Das sass. Wie gross war Ihre Angst zu Beginn der Recherche, auch so etwas zu hören?
Katja Lewina: Ich hatte ziemlich viel Verwüstung hinterlassen, also war mir klar, dass ich würde einstecken müssen. Stellenweise schwer auszuhalten war es trotzdem. Sooo schlimm hatte ich mich nämlich gar nicht in Erinnerung! Die meisten Begegnungen waren zu meiner Überraschung trotz all der gegenseitigen Verletzungen dann aber doch sehr versöhnlich.
Was hat sich punkto Selbstliebe bei der Recherche bei Ihnen geändert?
Vor allem habe ich mich selbst so gut kennengelernt, wie ich es in keiner Therapie geschafft hätte. Ich sehe jetzt all meine Verletzungen und Überlebensstrategien und kann darum meine Gedanken und Affekthandlungen viel besser einordnen. Ich fühle mich mir selbst nicht mehr so ausgeliefert. Keine Ahnung, ob das was mit Selbstliebe zu tun hat, aber ich hab endlich das Gefühl, mich selbst zu verstehen.
Warum sprechen wir so viel übers Verlieben und so wenig übers Entlieben?
Es war geradezu gespenstisch: Bei jedem Mann konnte ich mich an den Moment erinnern, in dem wir ein Paar wurden – und wenn es nur schemenhaft war. Aber der Moment, in dem wir uns trennten, ist wie ausgelöscht. Vielleicht liegt das daran, dass das Ende tendenziell schleichend kommt und nicht so fulminant wie die Verliebtheit. Vielleicht neigen wir aber auch einfach dazu, uns auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Schmerz wollen wir meist einfach nur hinter uns bringen und dann am liebsten nie wieder an ihn erinnert werden.
Wie sehr hat es Ihnen wehgetan, dass einer Ihrer Ex-Freunde Sie nicht treffen wollte?
Natürlich war das bitter. Ich denke, es war einfach noch nicht genug Zeit vergangen, und hoffe, dass wir das eines Tages nachholen können. Obwohl Groll sich ja erstaunlich lange halten kann, wie ich feststellen musste.
Sie schreiben vom «fertig sein» mit den Beziehungen. Wie kommt man an diesen Punkt?
Ich weiss nicht, ob wir jemals ganz und gar «fertig» mit jemandem sein können. Wir verändern uns ständig, und so auch unsere Gefühle für die anderen. Aber wir können einen Zustand der Gelassenheit, der Versöhnung entwickeln. Manche sagen, dafür brauche man die andere Person nicht. Aber ich halte das für Blödsinn. Alles raushauen, was nicht gesagt werden konnte, Fragen stellen, Antworten bekommen, sich entschuldigen – das geht nur im direkten Kontakt.
«Wir sollten das Ideal der ewigen Liebe endlich mal entmachten»
Ich selbst habe immer mal wieder kurze Beziehungen, eher Affären, und merke, dass es mir dann doch auf Dauer zu anstrengend wird. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte dazu noch eine zweite feste Beziehung – puh! Ist dir das alles nicht manchmal zu viel? Hast du nicht manchmal Lust, einfach nur allein zu sein?
Vielleicht liegts an der Wahl des:der Partner:in, wenn es zu anstrengend wird? Aber klar wird es manchmal zu viel. Genau wie das Alleinsein manchmal zu viel wird. Wofür auch immer wir uns entscheiden, wir werden immer Abstriche machen müssen. Ich habe mich von der Idee verabschiedet, in meinem Leben immer zu hundert Prozent glücklich sein zu wollen. Und bin es vielleicht gerade deswegen besonders.
Ihr Buch klingt wie ein Plädoyer für Beziehungen. So, als würde es am Ende vor allem darum gehen, die, den Richtige:n zu finden – das können ja auch mehrere sein. Aber ist nicht die Beziehung zu uns selbst eigentlich die wichtigste? Sind Beziehung nicht vielleicht over?
Und ich dachte, ich hätte ein Plädoyer dafür geschrieben, das ganze Game nicht so wichtig zu nehmen! Natürlich sind wir uns am Ende immer selbst die Nächsten, oder sollten es zumindest sein. Aber Beziehungen sind deswegen noch lange nicht over. Wir Menschen sind schon sehr niedlich mit unserer Sehnsucht nach der ewigen Liebe und unserem gleichzeitigen Unvermögen, sie zu ertragen. Vielleicht sollten wir nur dieses Ideal endlich mal entmachten.
Sie schreiben: Es wird immer kompliziert, wenn Erwartung auf Realität trifft. Warum eigentlich?
Die Erwartung gehört ganz uns, wir können sie formen, wie wir wollen. Aber die Realität fragt uns nicht, sie macht einfach, was sie will. Vielleicht sind wir deswegen so oft enttäuscht von anderen Menschen – wir hatten uns die ganze Nummer anders vorgestellt und tragen ihnen das auch noch ewig nach. Ich bin daher eine grosse Freundin der Realität, Erwartungen können mir gestohlen bleiben.
Wie allgemeingültig ist das, was Sie in Ihrem Buch erzählen? Wie viel Katja ist darin zu finden und wie viel steht Katja für andere Frauen?
«Ex» ist die Reise in meine Vergangenheit, und damit ultrapersönlich. Gleichzeitig bin ich auch nur ein Kind unserer gemeinsamen Sozialisation und erlebe Dinge, die die meisten von uns kennen. Gerade Frauen definieren sich viel zu oft über ihre Beziehung, wollen um jeden Preis geliebt werden. Aber auch das Spannungsfeld zwischen Nähe und Freiheit, die Angst vor Nähe oder vor Verletzung, Kommunikationspannen, Tunnelblicke, Unzulänglichkeiten werden keine Unbekannten sein. Wir alle tragen unseren eigenen Rucksack aus Kindheitsmustern und -überzeugungen mit uns rum. «Angucken!» lautet die Parole.
Ihre Kinder kommen jetzt in das Alter, in dem sie selbst anfangen werden, Beziehungen zu führen. Welche Tipps können Sie ihnen mitgeben?
Die sind zum Glück so cool, dass sie gar keine Tipps brauchen. Ich feiere diese Generation für ihr Selbstwertgefühl einerseits und ihre Feinfühligkeit andererseits. Obwohl, jetzt erinnere ich mich an ein Gespräch mit meiner fünfzehnjährigen Tochter, bei dem ich doch noch so etwas wie einen Tipp abgegeben habe. Ich sagte, dass Typen, wegen denen man leidet, abgesägt gehören.
Katja Lewina wurde 1984 in Moskau geboren, studierte Slawistik sowie Literatur- und Religionswissenschaften. Sie arbeitete als freie Lektorin und im Künstler:innenmanagement. Heute ist sie freie Autorin und lebt mit ihrer Familie in Potsdam. Nach ihren Büchern «Sie hat Bock» (2020) und «Bock. Männer und Sex» (2021) ist jetzt «Ex» (ca. 35 Fr.) erschienen.