Body & Soul
Alice (52): «Nach dem Unfall wurde ich ein zurückgezogener Teenager»
- Text: Jana Schibli
- Bild: Sara Merz
In unserer Rubrik «Bodybuilding» zeigt sich eine Frau nackt und spricht über ihr Verhältnis zu ihrem Körper. Diesmal erzählt Alice (52), warum sie ihre Narben heute mit anderen Augen sieht als früher.
«Ich war 14 Jahre alt und in Süditalien in den Familienferien. Sass hinten auf dem Roller meines Lieblingscousins, als ein Auto in uns hineinfuhr. Ich wurde weggeschleudert, mein Kopf haarscharf an einem Container vorbei. Diagnose: komplizierter Beinbruch.
Damit begann eine sechsmonatige Odyssee durch italienische Spitäler. Ich war ausgeliefert. Wurde angestarrt, falsch behandelt, nicht beachtet. Mein Knochen begann zu faulen. Nur durch Glück und eine damals seltene Operation verlor ich mein Bein nicht und konnte neu laufen lernen.
Geblieben sind einige Narben, eine eingeschränkte Motorik und die Geschichte, die sich mir eingebrannt hat. ‹Sie ist noch so jung›, spielte man es herunter, ‹das vergisst sie schon wieder.› Doch nach dem Unfall wurde ich ein zurückgezogener, von Selbstzweifeln geplagter, missverstandener Teenager. Mein Körper war nicht mehr perfekt und meine Modelträume waren kaputt.
«Erst als ich meine Zwillinge durch einen Kaiserschnitt gebar, sah ich Narben mit anderen Augen»
Ich wollte Designerin werden, entschied mich dann aber für das KV, weil es die naheliegende Wahl war. Erst als ich meine Zwillinge durch einen Kaiserschnitt gebar, sah ich Narben mit anderen Augen: als Zeichen der Lebensfreude anstatt als Spur von Unglück und Schmerz.
Meine Jugendwünsche begann ich erst viel später zu verwirklichen, zum Beispiel mit dem Reisen. Letztes Jahr habe ich mir einige Strandchleidli aus Frottee genäht und wurde sofort darauf angesprochen. Nur wenn ich Yoga mache, sehe ich halt nicht so elegant aus. Dann nehme ich meine Yoga-Blöcke zu Hilfe. Und meinen Humor.» – Alice (52)