Body & Soul
Agnes (30): «Ich habe meine Mutter nie ihren BH ablegen sehen»
- Text: Leandra Nef
- Bild: Sara Merz
In unserer Rubrik «Bodybuilding» zeigt sich eine Frau nackt – und erzählt, welches Verhältnis sie zu ihrem Körper hat.
«Als ich acht Jahre alt war, zogen wir von Indonesien nach München. Ich hatte nicht viele Vorbilder damals. In den Filmen im Fernsehen spielten nur weisse Kinder. Ich verstand nicht: Warum habe ich eine andere Hautfarbe? In der Schule sagten sie: ‹Du kannst nicht Aschenbrödel sein, du bist braun.› Ich schämte mich für mein Aussehen. Auch die familiären Umstände waren schwierig, meine Eltern überfordert. Ich konnte keine Matura machen, nicht studieren. Auch dafür habe ich mich geschämt.
Und dann ist da noch die Sache mit der Sexualität. Meine Mutter ist streng muslimisch, ich wurde nicht aufgeklärt. Und schlief früher immer im BH, weil ich es schlicht nicht anders kannte – ich habe meine Mutter ihren nie ablegen sehen. Als mein Mann mich fragte, ob das nicht unbequem sei, staunte ich: ‹Willst du mir sagen, dass deine Exfreundinnen ohne BH geschlafen haben?› Mittlerweile laufe ich oft ohne rum. Ich werde selbstbewusster.
Agnes (30)«Plötzlich war da eine Community, ich fühlte mich nicht mehr allein»
Auch Künstlerinnen wie Marina Abramovic und Milo Moiré inspirieren mich, meinen Körper und meine Sexualität von kulturellen und religiösen Zwängen zu befreien. Im Herbst beginne ich nun doch noch ein Studium, an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Und auch die Bewegungen ‹Black Lives Matter› und ‹Stop Asian Hate› haben mir geholfen. Plötzlich war da eine Community, ich fühlte mich nicht mehr allein. Seither akzeptiere ich mich und meinen Hintergrund immer mehr. Und mit ihm meinen Körper.» – Agnes (30)