Redaktorin Marie Hettich ist zum ersten Mal schwanger. Und hat in den vergangenen Monaten einiges dazugelernt.
1. Wer Mode liebt, wird Umstandsmode hassen
Nur ein paar Tage nach meinem positiven Test nahm ich gut gelaunt meinen Laptop hervor, um spasseshalber schon ein paar Schwangerschaftsklamotten zu recherchieren. Ich weiss nicht, auf wie vielen Websites im In- und Ausland ich gelandet bin – die Stimmung danach war jedenfalls mies. Denn obwohl ich natürlich wusste, dass die Auswahl begrenzt sein wird, hätte ich nie gedacht, auf welche Schwangerenklischees man bei der Kleidersuche trifft. Konkret hat man die Wahl zwischen der Schwangeren, die sich vor lauter Glück und Stolz in ein Mariah-Carey-artiges Knallbonbon verwandelt, oder einer Schwangeren, die nur noch Kleider trägt, damit sie nicht nackt herumlaufen muss. Ganz im Sinn von: Leggings und graue Longsleeves tuns doch! Da ich weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehören will, musste ein Alternativplan her. Aktuell lautet der: alles einfach in L oder XL und weite Stoffhosen mit elastischem Bund kaufen. Dass Oversize-Hemden dieses Jahr überall in den Läden hängen, kommt mir schönerweise sehr entgegen.
2. Es gibt sehr wohl Medikamente gegen die Übelkeit
Ich dachte immer: Übelkeit gehört in den ersten Schwangerschaftsmonaten dazu, und Medis sind sowieso tabu. Also versuchte ich mein Glück mit exzessivem Kaugummikauen und Ingwersaft. Im Nachhinein kann ich mir kaum vorstellen, dass jemals irgendwer dieses konstante Kotzgefühl mit irgendwelchen Hausmittelchen losgeworden ist. Meine Gynäkologin – glücklicherweise ein sehr pragmatischer, unideologischer Mensch – hat mir direkt bei meinem ersten Termin das Medikament Itinerol B6 verschrieben. Also nahm ich ab dann jeden Morgen und jeden Abend eine Tablette – und war wieder ich. Heisst: Ich konnte morgens wieder wie ein normaler Mensch aufstehen, ich konnte mich wieder auf meinen Job konzentrieren und ich konnte nach etlichen Burgern und Gummibärchen auch mal wieder etwas Vernünftiges wie einen Apfel oder ein Rüebli zu mir nehmen. Auch mein Selbstmitleid war verschwunden – eine grosse Erleichterung für meine Beziehung. Es mag übertrieben klingen, aber die Vorstellung, dass sich Schwangere monatelang plagen, nur weil ihre Gyns kein Wort über mögliche Medikamente verlieren, macht mich wirklich wahnsinnig.
3. Die Namenssuche ist ein Pain
Superschön stellt man sich das vor, mit dem Partner Arm in Arm auf dem Sofa zu liegen und sich gegenseitig aus herzigen Namensbüchern vorzulesen. In Wahrheit ist die Namenssuche ein Pain – zumindest für meinen Freund und mich. Denn schnell wurde uns klar: Selbst wenn man einen Namen gut findet, heisst das noch lang nicht, dass man sein eigenes Kind so nennen will. Plötzlich merkt man: Der schöne Vorname sieht zum Nachnamen leider idiotisch aus. Oder er wäre für eine Erwachsene toll – bei einem Baby aber irgendwie lächerlich. Oder er bedeutet etwas Fragwürdiges wie «die Geliebte von» oder «der ewig Starke». Es kann auch vorkommen, dass der Partner bei einem Vorschlag direkt abwinkt und sagt: Jemand, den ich dumm finde, heisst so. Eines haben wir auf jeden Fall früh gemerkt: Dass wir uns zu zweit all diese Gedanken machen, ist mühsam genug. Da müssen nicht auch noch andere ihren Senf dazugeben. Der Name unseres Kindes bleibt also bis zum Schluss geheim – falls wir überhaupt einen finden.
4. Keine Lust auf die 12-Wochen-Regel
Natürlich: Im Nachhinein habe ich leicht reden, denn ich hatte in den ersten 12 Wochen keine Fehlgeburt. Ich kann dementsprechend auch nicht beurteilen, wie es sich anfühlt, wenn zig Leute von der Schwangerschaft wissen – und man dann all diesen Leuten in seiner Trauer sagen muss, dass sie wieder zu Ende ist. Doch für mich war schon vor meiner Schwangerschaft klar, dass ich es merkwürdig und auch stressig fände, das positive Testergebnis wochenlang für mich zu behalten. Immerhin ist die Sache big! So big, wie es Männer zuerst vielleicht gar nicht nachempfinden können. Mit den Frauen in meinem Umfeld – gerade auch mit denen, die selbst schon mal schwanger waren – von Anfang an darüber zu sprechen, was da Verrücktes im Körper vor sich geht, hat mir die ersten Wochen extrem verschönert und erleichtert. Auch meiner Vorgesetzten habe ich schon in der sechsten Woche von der Schwangerschaft erzählt. Im Falle einer Fehlgeburt hätte ich sie doch sowieso informiert – ausserdem wollte ich nicht auch noch kreative Ausreden erfinden müssen, falls ich es morgens mal nicht aus dem Bett schaffe oder am Nachmittag einen zweistündigen Nap einlegen muss.
5. Diese Essenssache ist scheisskompliziert
Keine Zigis, kein Alkohol, keine sonstigen Drogen: klar. Aber was alle andere Verbote anbelangt, bin ich bis heute ziemlich verwirrt. Dementsprechend sieht auch mein Google-Suchverlauf seit ein paar Monaten aus: «Glace Schwangerschaft», «Räucherlachs Schwangerschaft», «Mozzarella Schwangerschaft», «Koffein Schwangerschaft», «Salat Schwangerschaft» – es ist wirklich deutlich komplizierter als gedacht. Was ich mittlerweile sicher weiss: Als meine Mutter mit mir schwanger war, gab es noch kaum solche Regeln. In Japan essen Schwangere ganz selbstverständlich Sushi. Und manche Medizinerinnen sind sogar der Ansicht, dass kleine Alkoholmengen fürs Kind unschädlich seien. Auf Alkohol zu verzichten, fällt mir bisher überhaupt nicht schwer – im Gegenteil, ich geniesse es richtig und habe ein fantastisches alkoholfreies Bier entdeckt (Heineken 0.0 – no ad!). Aber ob ich mir ausnahmsweise mal ein Lachs-Sandwich gönnen werde? Man weiss es nicht …
6. Eine Schwangerschaft muss geplant werden
… und das hat längst nicht nur mit dem Folsäure-Präparat zu tun, das schon Monate vorher eingenommen werden sollte. Mindestens so wichtig finde ich, dass sich Paare mit Kinderwunsch überlegen, wie sie sich ihr künftiges Leben konkret vorstellen – und dann sehr ehrliche Gespräche darüber führen, auch wenn es unangenehm wird. Es geht um Fragen wie: Reichen uns die 14 Wochen bezahlter Mutterschutz und der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub? Wenn nein: Möchten und können wir uns eine längere Elternzeit finanzieren – auch wenn das bedeutet, dass wir darauf lang sparen oder beispielsweise die eigenen Eltern nach Geld fragen müssen? Wie soll es danach weitergehen? Ist eine Person fürs Haupteinkommen zuständig und die andere in erster Linie für die Care-Arbeit (inklusive Mental Load) – oder möchten wir versuchen, zu gleichen Teilen Berufstätige und Eltern zu sein? Und weiter: Wie viel Prozent müssten wir jeweils arbeiten, damit wir unser neues Leben finanzieren können – und für wie viele Tage bräuchten wir dann eine Betreuung fürs Kind? Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich mitbekomme, dass manche Paare nie solche Gespräche führen – und manchen erst, wenn das Kind dann da ist, langsam dämmert, dass sie eigentlich sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem guten gemeinsamen Leben haben.
Well well… Super Bericht, könnte von A bis Z von mir kommen!! Danke 🙂
Danke dir, ich habe gerade das erste Mal Itinerol B6 eingenommen. Du hast mir Mut gemacht, dass auch ich das schon fast stündliche Übergeben nicht hinnehmen muss.