So überraschend war meine Begegnung mit einer Numerologin

Eines vorweg: Was esoterische Themen anbelangt, bin ich ein harter Brocken. Ich habe jahrelang das Büro mit meiner Herzensfreundin Daniela geteilt, die den Morgen mit Horoskopgoogelei startete, Mondwasser aus einer Karaffe mit Kristallen trank und meinen neckenden Kommentaren mit einem souveränen Lächeln begegnete. Als mir nun die Thuner Numerologin Claudia Stich ihre Künste anbot, rieb sich der kleine hochnäsige Klugscheisser in mir schadenfroh die Hände und bereitete sich auf eine Deluxe-Zerpflückaktion vor.

Sie habe bereits «einige Fälle» gehabt, «wo man mittels Zahlenbild Gewolltes und auch Kostspieliges wie Hochzeit und Scheidung vermeiden konnte», schrieb mir Frau Stich in einer der ersten Mails. Ich war selbst erstaunt, wie weit meine linke Augenbraue nach oben zu ziehen vermag. Den ersten Pluspunkt verteilte ich, nachdem Frau Stich trotz meiner unverblümten Skepsis einer Session zustimmte und wir uns wenig später in der annabelle-Redaktion trafen.

Quersummen und Zahlen zugeschriebene Bedeutungen

Vorab hatte ich ihr mein Geburtsdatum geschickt und war nun gespannt, was sich aus dem 22.09.1975 alles ablesen lassen sollte. «Zunächst einmal schreibe ich die Zahlen auf ein Blatt Papier und hänge mir das 48 Stunden an die Wand. Tönt sicher komisch, aber dann beginnen diese mit mir zu sprechen.» Durch das Ziffern-Zwiegespräch jedenfalls bekomme Stich ein erstes Bild von dem Menschen und diese Fähigkeit sei nur wenigen gegeben. Das Rechnen allein sei kein Hexenwerk, habe mit Esoterik nichts zu tun und drehe sich eher um Quersummen und die den Zahlen zugeschriebenen Bedeutungen. «Erst berechne ich den individuellen Typus 1 bis 9.» Der bilde das Fundament des Menschen. In meinem Fall ist das die 2, die für eine Affinität zur Dualität steht und durch die 22 in meinem Geburtsdatum besonders stark ausgeprägt sei.

«Sie sind nicht auf der Welt, um zu arbeiten»

Es folgte eine Reihe recht schmeichelhafter Aussagen: Ich sei in meinem Job richtig, da er sowohl meine analytischen Fähigkeiten als auch die Kreativität bediene. Laut der diplomierten Numerologin ist meine Lebensaufgabe, den Menschen die Schönheit ihres Tuns aufzuzeigen. «Sie sind nicht auf der Welt, um zu arbeiten», fasst Frau Stich zusammen. Selbstgefällig sonne ich mich in der Rolle der ernannten Muse. Ich mag diese Frau Stich immer lieber.

Meinen spitzen Einwand, sie hätte sich ja schon mal im Vorfeld über meine Arbeit schlaumachen und psychologisch geschult entsprechende Thesen ableiten können, federt Stich ab: «Das mache ich ganz bewusst nicht. Ich habe ja die Zahlen und bin selbst fasziniert, dass sich die Analysen bewahrheiten.»

Gesundheit, Beruf, Partnerschaft (immer noch die Nummer eins bei den Anfragen) – je nach Interesse könnte man sich bei seinen Berechnungen auch im Vorfeld unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Bis jetzt seien ihre Ermittlungen immer «zahlengenau» gewesen, sagt die Numerologin, wobei erst die Fähigkeit, die Zahlen gekonnt in Bezug zu setzen, die Aussagekraft ausmache.

Spannung vor jeder Sitzung

Gespannt sei sie vor jeder ihrer Sitzungen, sagt Claudia Stich. Sie weiss um die Verantwortung, wenn sie jemandem erzählt, dass die Hochzeit lieber verschoben werden oder ein Job nicht angenommen werden sollte. Pythagoras, der neben dem berühmten Satz auch noch die Numerologie erfunden hat, «sagt, der Mensch müsse im Kosmos schwingen und diese Schwingungen gelte es, in Zahlen festzuhalten. Je nach Zyklus schwingen wir schneller oder langsamer und entsprechend sollten wir unser Verhalten darauf abstimmen».

Ob der Rat zu teils ja doch sehr lebensverändernden Einschnitten nicht als sehr anmassend empfunden werde, frage ich. Klare Antwort: «Ja.» Auch dass ihre Erkenntnisse schon mal Aggressionen erzeugt hätten und oft Menschen vor ihr weinen würden. Zugute kommt Stich ihr kommunikatives Feingefühl, ihre Empathie und ihre Lebenserfahrung: «Ich habe für sehr viele charakterstarke Führungspersonen gearbeitet, die auch recht selbstverliebte Seiten an sich hatten, und ich habe gelernt, wie man Dinge platziert und wo die Grenzen sind.»

Als ich beim Blick auf mein Gesundheitsdiagramm wissen will, ob ich vielleicht unter einer nicht entdeckten Lebensmittelunverträglichkeit leide, stosse ich auf eine andere Grenze: «Ich bin nicht diejenige, die Ihnen sagen wird, dass Sie auf Lactose verzichten oder sich den Blinddarm rausnehmen lassen müssen. Was ich sehen kann, ist, wie die Feldreihen in Zusammenhang zu bringen sind. Daraus kann ich schliessen, was Ihnen guttut und was Sie für Ihr Wohlbefinden brauchen.» Aufgrund der Dualität wären Yoga und ein Kraftsport zum Powerabbau für mich ideal.

Ich wäre sicher ernährungstechnisch interessiert und würde «nicht jeden Mist essen, den es auf dem Planeten gibt». Ich denke kurz an die Chips mit Cheeseburgergeschmack und meine zugegeben ekelerregende Vorliebe für autowarme Bifi Roll. Grundsätzlich aber stimmts schon. Ich ernähre mich inzwischen überwiegend vegetarisch (bis auf den Bifi-Roll-Ausrutscher), kenne Bas Kasts Ernährungskompass und kann Tofu so einlegen, dass er nicht scheisslangweilig schmeckt. Aber tut das nicht gefühlt jeder in meinem urbanen Umfeld?

Die 7 sei die heilende Kraft, eine 9 steht für Brüche im Leben

Wir sprechen noch eine ganze Weile weiter über die Zahlen meines Lebens und ich muss zugeben, dass vieles zutrifft. «Wer eine 5 im Leben hat, wird immer die Power haben, wieder allein auf die Beine zu kommen.» Die 7 sei die heilende Kraft, eine 9 steht für die Brüche im Leben. «Die sind bei Ihnen wichtig und da Sie neugierig sind, nehmen Sie die Brüche an. Menschen mit einer anderen Zahlenkonstellation können dagegen an diesen Brüchen zerbrechen.»

Die weniger schmeichelhaften Erkenntnisse – etwa die Rolle der 8 als Quersumme meines Geburtsdatums – verpackt sie freundlich. Dass manche Menschen angesichts meiner Strahlkraft in Ohnmacht versinken und ich durch meine kampfbereite Gradlinigkeit (andere würden sagen: Ruppigkeit) Leute auch mal verprelle, unterschreibe ich. Als allerdings die Theorie auf den Tisch kommt, ich könnte später mal Probleme mit der künftigen Partnerin oder dem künftigen Partner meines Sohnes bekommen, runzle ich ungeniert die Brauen. Ganz ehrlich, über so etwas will ich mir keine Gedanken machen.

Danke, meine wunderbare 2, die du mich mit Rationalität gesegnet hast – es gibt Schöneres auf der Welt zu tun, als in Grübeleien über Etwaiges zu versinken. Mein Fazit: Ich persönlich würde bei konkreten Fragen immer eher Bauchgefühl statt Zahlen sprechen lassen, aber 160 Franken als Invest in eine Selbstreflexion mit durchaus spannenden Thesen und dem einen oder anderen Volltreffer haben nicht zuletzt dank Claudia Stich Spass gemacht.

Mehr Informationen zu Claudia Stich findet ihr hier.