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Chefredaktorin Barbara Loop fordert: Endlich mehr Frauenhäuser!

Politik

Chefredaktorin Barbara Loop fordert: Endlich mehr Frauenhäuser!

Gewalt an Frauen bleibt eine traurige Konstante. Umso wichtiger sind Zufluchtsorte für Betroffene. Es fehlt an Platz, Geldern und Bewusstsein. Chefredaktorin Barbara Loop fordert: Das muss sich ändern.

Ich nehme das Problem gleich vorweg: Diesem Artikel fehlt der Aufhänger. Ihm liegt kein ausserordentliches Ereignis zugrunde, alles ist wie immer: Frauen werden Opfer von häuslicher Gewalt, sie werden geschlagen, bedroht und vergewaltigt, nicht selten in den eigenen vier Wänden.

Es ist unheimlich, wie konstant die Zahl polizeilich registrierter Straftaten im häuslichen Bereich ist: 2022 zählte man 19 978 Fälle, 2023 waren es 19 918. Genauso regelmässig sterben Frauen und Mädchen an den Folgen dieser Gewalt: 13 seit Anfang des Jahres zählt das Rechercheprojekt Stop Femizid bis jetzt.

Im Durchschnitt wird in der Schweiz jede zweite Woche eine Frau oder ein Mädchen getötet – von ihrem Partner oder Ex-Partner, ihrem Vater, Bruder oder Sohn. Das war letztes Jahr so und vorletztes. Wenn auch die Welt aus den Fugen gerät, auf die getöteten Frauen kann man zählen wie auf das Amen in der Kirche.

Ich wünschte, an dieser Stelle käme eine hoffnungsvolle Wendung. Eine Neuerung, eine Aktualität, die aufhorchen lässt. Ich muss euch leider enttäuschen. Denn es ist eine ebenso zuverlässige Konstante, dass wir in einem Land leben, in dem die Schicksale dieser Frauen als traurige Normalität in Kauf genommen werden. No news sind eben nicht immer good news.

Zwar hat sich die Schweiz 2018 mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtet, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern und zu bekämpfen. In der Folge wurde ein breit abgestützter Aktionsplan definiert, der neben Massnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung auch die adäquate Schulung von Fachpersonen und die Bekämpfung der sexuellen Gewalt gegen Frauen enthält.

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«Die Schweiz bietet nur knapp ein Viertel so viele Zimmer in Frauenhäusern an wie von der Istanbul-Konvention empfohlen»

Wie weit man aber vom Ziel entfernt ist, zeigt sich dort, wo es für Frauen und ihre Kinder ums Überleben geht: in den Frauenhäusern. Aktuell bietet die Schweiz nur knapp ein Viertel so viele Zimmer an wie von der Istanbul-Konvention empfohlen. Dass Verantwortliche noch heute derart kämpfen müssen für die Finanzierung dieser Häuser, dass sie auf private Spenden angewiesen sind, ist beschämend.

Beiträge der öffentlichen Hand werden vielerorts noch immer pro Fall und nicht pro Zimmer gesprochen, Frauen und ihre Kinder werden durch die halbe Schweiz gefahren, damit sie ein paar Nächte in Sicherheit verbringen können – und in zu vielen Fällen ist ein Hotelzimmer das Maximum an Schutz, das man ihnen anbieten kann.

In Frauenhäusern suchen Frauen Zuflucht, die nicht nur psychisch, sondern auch ökonomisch abhängig sind. Frauen, deren soziales Netzwerk klein ist. Frauen und Kinder, die ganz unten angekommen sind – und die deswegen ganz oben auf der Prioritätenliste der Politik stehen müssten.

Gerade jetzt, wo aufgrund gestiegener Ausgaben für Militär und AHV auf Bundesebene und in der Folge wohl auch bei den Kantonen gespart werden muss, bietet sich die Chance, Schlagzeilen zu machen: «Weniger Autobahnen, mehr Frauenhäuser», zum Beispiel. Das wären News. Ich würde sofort darüber schreiben.

Informationen und Hilfsangebote zum Thema sexualisierte Gewalt findest du hier:

Opferhilfe Schweiz

143 – Die Dargebotene Hand

BIF – Beratungsstelle für Frauen

Frauenhäuser in der Schweiz

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