Während sich gleichaltrige Freunde verloben, heiraten und eine Familie gründen, kümmert sich unsere 27-jährige Redaktorin Silvia Princigalli um die Abendgestaltung, die Uni und ein neues WG-Gspänli. Und fragt sich: Wann sind alle anderen erwachsen geworden?
«She said yes!» steht unter dem Schnappschuss eines Freunds in meinem Facebook-Newsfeed. Ja, ich wusste, dass die beiden verreisen würden, aber dieser Ring an ihrem Finger überrascht mich. Dabei hatten wir uns vor noch nicht allzu langer Zeit am kleinen Küchentisch unserer WG doch geschworen, eine andere Lebensform als die konventionelle Ehe zu wählen und uns mit dem Kinderkriegen Zeit zu lassen. Sind wir denn nicht gerade noch gemeinsam in die Schule gegangen, hatten die ersten Fahrstunden genommen, den Ausweis gefälscht, zu viel Bier getrunken und gehofft, dass die Eltern nichts davon mitbekommen?
Das Leben ist ein Weg voller Etappen. Bei dieser Tour de vivre radeln wir von einer Station zur nächsten. So wird uns nach Schweizer Zivilgesetzbuch mit 12 Jahren die Handlungsfähigkeit zuteil. Ab Vollendung des 16. Lebensjahrs sind wir legal dazu befähigt, Wein oder Bier zu konsumieren. Und mit 18 dann das Gesamtpaket: die Erlangung der Volljährigkeit – Stimm- und Wahlrecht inklusive. Die Eltern bürgen gesetzlich nicht mehr für den Unsinn ihrer Sprösslinge. Erwachsen – so lautet der offizielle Status.
Der Wandel der Gesellschaftsstrukturen hat bei den Millennials andere Rituale als bei der Generation zuvor hervorgebracht: Die individuelle Entfaltung steht im Mittelpunkt, arbeitslos die Welt zu bereisen ist an der gesellschaftlich akzeptierten Tagesordnung. Lebensarten entfalten sich dabei aus finanziellen Engpässen in Wohngemeinschaften. Die Familiengründung, das Einfamilienhaus und der Kauf eines Familienautos, wie es unsere Eltern Mitte zwanzig in Angriff genommen hatten, scheint hier noch in weiter Ferne.
Dachte ich. Doch die Realität sieht anders aus: Mitteilungen wie «Bald sind wir zu dritt» oder das obligatorische Ringfingerfoto meiner gleichaltrigen Gspänli in den sozialen Medien häufen sich. Plötzlich werden Nester gebaut, Klunkern gekauft und eine Familie gebastelt, bevor die Fruchtbarkeit zum Glücksspiel wird.
Ich hingegen reagiere auf die Babybäuche meiner Freundinnen immer noch so verdutzt wie auf eine Teenagerschwangerschaft und frage mich: «Habt ihr alle eine Einladung zum Erwachsenwerden bekommen, und ich hab sie verpasst?» Denn mein Altersempfinden ist à la Peter Pan irgendwie stehengeblieben. Ich war doch eben noch ein Teenie. Allein der Mobilfunkanbieter war so freundlich, mich mit einer Kurznachricht ans Älterwerden zu erinnern – denn die Vergünstigungen gibt es nur bis 26. Auch das Bundesamt für Statistik nimmt mit seiner Klassifizierung eine klare Einordnung vor: 18 bis 25 (jugendliche Erwachsene); 26 bis 45 (Erwachsene); 46 bis 64 (ältere Erwachsene).
Bei mir soll es also mit der Jugendlichkeit definitiv vorbei sein? Und was bedeutet das für mich, wenn mein Umfeld Fläschchen gibt, während ich feiere und sich das Bedürfnis nach dem nächsten Schritt nicht einstellen will? Wie überwinde ich die Diskrepanz zwischen biologischem und gefühltem Alter? Muss ich das überhaupt?
Ich will JETZT reisen, umziehen, mich entwickeln, daten, ohne mich festzulegen, neue Leute kennen lernen, Nächte durchtanzen, ohne für jemanden das Frühstück vorbereiten zu müssen – Verantwortung tragen nur für mich selbst.
Bewusst planlos in die Zukunft: Vielleicht eröffnet genau das ganz neue Möglichkeiten, die ich noch gar nicht kenne.