Feminismus – keine Frage des Geschlechts
- Text: Sven Broder
Wer sich für Frauenanliegen stark macht, muss seinen Penis deswegen weder klein- noch schlechtreden, findet Sven Broder.
«Ha!» – die Frau verschluckte sich fast am Latte macchiato. «Du, als Mann – ein Feminist?» – «Ja, klar!»
Die Reaktion auf mein vermeintlich ehrenhaftes Geständnis hätte durchaus ein wenig wohlwollender ausfallen dürfen, fand ich. Immerhin hatte den Milchkaffee, an dem sie da gerade genüsslich nippte, ich ihr aufgetischt. Und hey – sie kennt mich doch. Ich bin der, den die Frauen bei annabelle den Menstruationsflüsterer nennen, weil er – okay, nicht ganz uneigennützig – den Zyklus seiner Frau penibel per iPhone-App überwacht. Aber um als Mann beim weiblichen Geschlecht als Feminist durchzugehen, so richtig und unwidersprochen, braucht es eben mehr, als von Antifeministen als rosa Pudel bezeichnet zu werden. Viel mehr. Am besten Vagina und Brüste. Aber ich habe Penis. Sorry. Und der steht offenbar wie ein Mahnmal für Patriarchat, Machismo und die jahrhundertelange Unterdrückung von Frau. Da kann Mann im Grunde tun und lassen, was er will. Schwanzträger bleibt Schwanzträger. Da ist Frau durchaus auch mal sexistisch.
Ja, ich habe einen Penis. Und den lasse ich mir weder klein- noch schlechtreden. Manchmal steht er auf und spricht zu mir – und was er sagt, ist nicht immer jugendfrei. Ach, wer weiss das besser als ich. Aber hey – ich habe auch Hirn. Echt wahr! – und den Steuerknüppel im Griff. Keine Angst.
Ich mag auch nicht einstimmen in den gar dogmatisch geführten Genderdiskurs, wonach jedes vermeintlich geschlechterspezifische Verhalten nur kulturell bedingt ist. Als meine Tochter fünf Jahre alt war und von Nachbarskindern als Prinzessin gefangen gehalten wurde, nur weil sie als Einzige keine Nerf-Pistole hatte, kaufte ich ihr eine batteriebetriebene Super-Gun mit rotierendem 24-Schuss-Magazin. Das beförderte sie im Quartier zwar zwischenzeitlich zum Lieutenant Colonel, hielt sie aber nicht davon ab, heute pro Tag mehr Zeit mit dem Kämmen ihrer Haare zu verbringen, als ihr drei Jahre älterer Bruder in die Ganzkörperpflege investiert – und zwar pro Jahr.
Ich mag auch nicht gleich einen #Aufschrei posten, wenn irgendsoein antiquierter, aber letztlich nur nach Streicheleinheiten dürstender Schwabbelbauch mit Mikadobeinen einer aufgepfefferten Grazie in ihren mit Quer- und Vertikalverstrebungen aufgedonnerten Ausschnitt gafft. Nicht, solange meine sexistisch doch eigentlich total unverdächtige Tochter bei ihrem jüngeren Bruder Panikattacken provoziert mit der vermeintlich lustig gemeinten Warnung: «Huhu, da, unter der Bettdecke – pass nur auf! – da lauert ein böser, böser Mann!» Die Frage muss erlaubt sein: Ist es nicht zumindest ein bisschen sexistisch, den Mann ständig als potenziell übergriffigen, gefährlichen und im Zweifelsfall eben doch schwanzgesteuerten Unhold zu brandmarken?
Ja – und so einer wie ich nennt sich Feminist? Und wie! Weil ich – erzogen von einer alleinerziehenden Mutter, aufgewachsen mit einer selbstbewussten Schwester, verheiratet mit einer starken, eigenständigen Frau – eines gelernt habe: Feminismus ist keine Frage des Geschlechts. Sondern eine Frage des Respekts und der Gerechtigkeit.