annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli über Kultfotograf Walter Pfeiffer, der in der aktuellen annabelle zu sehen ist, und über die Frage, wodurch sich der Wert eines Bildes am Ende definieren lässt.
Die Ananas prangte riesengross im Schaufenster einer Berliner Galerie. Bei einem geschäftlichen Kurztrip kam ich zufällig daran vorbei. Ein Meter fünfzig hoch, ein Meter zwanzig breit, gefertigt vom dänischen Designer Henrik Dybdahl. Er hatte sich von Illustrationen aus alten Lehrbüchern inspirieren lassen, so erfuhr ich im Laden. Ich wusste sofort, wo ich das Bild bei mir zuhause aufhängen würde. Ich betrachtete es und dachte dabei an die mentale Kraft, die es für ein schwieriges Gespräch braucht. Aber auch an einen gedankenverlorenen Spaziergang am Wasser.
Mein Kollege Frank Heer hat für diese Ausgabe den Schweizer Kultfotografen Walter Pfeiffer getroffen. Pfeiffer wird derzeit zu Recht gross gefeiert, mit einem Film und einer Ausstellung. Eigentlich wollte Frank mit dem Fotografen über die Geschichten hinter seinen Bildern sprechen. Doch der 71-Jährige sprang mit seinen Worten unkontrolliert von den Bildern weg und erzählte von Erlebnissen und Begegnungen – die ihn und letztlich seine Bilder ausmachen. Ich erlebte Walter Pfeiffer vor Jahren bei einem Shooting für annabelle, beobachtete, wie er seine Modelle scheinbar locker in die richtige Stimmung bringt und in jenen Momenten abzudrücken scheint, in denen es keiner erwartet. «Ich wurde so oft belächelt», sagt er, «dass ich früh merkte: Ich muss tun, was ich will. Und nicht, was man von mir erwartet.»
Auch wenn wir in der Redaktion Bilder für die nächste Ausgabe wählen und dabei, teils intensiv, diskutieren, bin ich immer wieder fasziniert: Davon, welch unterschiedliche Gedanken Bilder bei jedem auslösen. Natürlich gibt es objektive technische Kriterien, Wissen über Kunst und Fotografie, anhand deren Bilder bewertet werden können. Für mich aber entscheidet sich ihr Wert am Ende immer über den Reflex, den sie auslösen, über die Frage, ob und warum sie berühren, angenehm oder unangenehm. «Mir ist es eigentlich egal, ob das Kunst ist, was ich mache», sagt Walter Pfeiffer. «Es muss mir einfach gefallen.»
Ich bin gespannt, an welchen Bildern Sie in dieser Ausgabe hängen bleiben und warum. Was mich betrifft: Das Bild mit der Ananas in Berlin habe ich nicht gekauft, der Transport schien mir zu umständlich. Allerdings denke ich jetzt, ein paar Monate später, immer noch über das Bild nach. Nun ja, es ist ja bald Weihnachten.