Dass ich mich heute als Feministin bezeichne und mich auch als Journalistin für feministische Anliegen einsetze, ist für mich selbstverständlich. Bis hierhin war es aber ein langer Weg.
Gerade als Teenager war ich die Antifeministin schlechthin. Ich habe zum Beispiel andere Frauen aufs Schärfste verurteilt, die es gewagt haben, zu enge Hosen anzuziehen oder einen zu tiefen Ausschnitt zu tragen. Und ich wollte gleichzeitig den Jungs – nicht mir selbst – um jeden Preis gefallen. Im Winter war wichtiger, dass meine Jacke den Blick auf meinen Hintern zulässt, als eine Nierenentzündung zu verhindern.
Die darauffolgenden Jahre stimmten mich langsam, aber nachhaltig um. Mit 16 erfuhr ich, wie es sich anfühlt, wenn dich deine vermeintlichen Freundinnen hinter deinem Rücken als Schlampe bezeichnen – weil du ihrem Schwarm etwas besser gefällst. Mit 23 lernte ich, was es für ein Gefühl ist, das Outfit am Morgen nicht dem Wetter entsprechend auszuwählen. Sondern danach, wie man die Brüste am besten vor den gierigen Augen des Chefs verstecken kann. Ich erfuhr als 25-Jährige, dass es Halbstarke offensichtlich in Ordnung finden, mir im Club auf der Treppe mit der Hand zwischen die Beine zu fassen. Und ich lernte wiederum, dass es mich verwirrt, wenn ein Typ nicht mit mir schlafen will – das steht ihm als Mann ja eigentlich nicht zu, die wollen eh immer. Ich begann zu realisieren, dass Frauen und Männer mit unterschiedlichen Ellen gemessen werden. Und dass ich daran selbst manchmal nicht unschuldig bin – dafür aber etwas ändern kann.
Nur wie? Für mich heisst die Lösung – neben dem Schreiben gegen Sexismus – vor allem persönliche Auseinandersetzung. Denn nur wenn bei mir selber ein Umdenken stattfindet, kann ich mich für einen gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Man muss den eigenen Sinn schärfen: Wann verhalte ich mich sexistisch, vielleicht sogar ohne es zu merken? Wann bestätige ich Klischees, die ich bekämpfen will? Wann fühle ich mich als das Opfer, das ich nicht sein will?
Kürzlich habe ich mich mit einem Bekannten im Zusammenhang mit der #SchweizerAufschrei-Aktion darüber unterhalten, wie sich Männer engagieren können. Ich empfinde den Austausch untereinander, auch und gerade mit Männern, als essenziell. Er erzählte mir von einem bierseligen Abend, an dem er mit Freunden unterwegs war und einer davon anfing, eine Frau in der Gruppe zu begrapschen. Mein Bekannter konfrontierte seinen Kumpel damit, bat ihn aufzuhören – und kassierte dafür einen Kinnhaken. Er selber bezeichnet sich übrigens nicht als Feminist, weil er sich von der Bewegung als Mann ausgeschlossen fühlt. Und das müssen wir ändern. Denn eine feministische Bewegung hat nicht die Männer zum Feind. Sondern ein System, das ein klischiertes Männlichkeitsbild aufrechterhält. Und das können wir nur zusammen stürzen. Wir brauchen gewiss noch einen langen Atem, aber ich bin mir sicher: Die Ausdauer wird sich lohnen.