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Schauspielerin Sandra Hüller: «Ich habe aufgehört, Alkohol zu trinken»

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Schauspielerin Sandra Hüller: «Ich habe aufgehört, Alkohol zu trinken»

  • Text: Vanja Kadic
  • Bild: Shutterstock/Fred Duval, Unsplash; Collage: annabelle

Sandra Hüller ist seit dem Erfolg mit ihren Filmen «Anatomy of a Fall» und «The Zone of Interest» ein internationaler Star. Uns erklärte sie im Interview, wie sie ihre Rollen aussucht und worauf sie besonders stolz ist.

Sandra Hüller (46) erlebte in den vergangenen Monaten wohl den Traum einer jeden Schauspielerin. Ihre Rollen in den Filmen «Anatomy of a Fall» und «The Zone of Interest» bescherten ihr nicht nur eine mit zahlreichen Filmpreisen gesäumte Erfolgswelle, sondern auch den Status eines internationalen Stars.

In Jonathan Glazers «The Zone of Interest» spielte Hüller die «Königin von Auschwitz» – die Ehefrau eines KZ-Chefs, die mit ihrer Familie direkt neben dem Lager Auschwitz ein idyllisches Leben führt.

Hüller ist die «Queen of Cannes»

Für ihre Arbeit in Justine Triets Drama «Anatomy of A Fall», in dem Hüller eine Schriftstellerin verkörpert, deren Mann bei einem Sturz aus dem Fenster stirbt, wurde sie mit einem César ausgezeichnet, ausserdem für einen Golden Globe und einen Oscar nominiert. Beide Filme feierten im Wettbewerb von Cannes Premiere, eines der wichtigsten und prestigeträchtigsten Filmfestivals der Welt – «Anatomy of A Fall» gewann in Cannes ausserdem den Hauptpreis. Nicht umsonst bezeichnete die «Los Angeles Times» Hüller als «Queen of Cannes».

Ihr erster Kino-Durchbruch gelang ihr 2006 mit der Hauptrolle als Epileptikerin in Hans-Christian Schmids «Requiem», nachdem sie die Schauspielschule Ernst Busch in Berlin absolvierte und in Film und Theater zu sehen war – unter anderem als Ensemblemitglied am Theater Basel. 2016 gewann Hüller für ihre Leistung im Vater-Tochter-Drama «Toni Erdmann» erstmals den Europäischen Filmpreis.

Nun ist die deutsche Schauspielerin in «Zwei zu eins», einer – überraschend klamaukigen – Komödie von Natja Brunckhorst zu sehen: Es ist der Sommer 1990, in Halberstadt leben Maren (Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Ronald Zehrfeld), die sich seit ihrer Kindheit kennen und lieben. In einem alten Schacht finden sie die Millionen der DDR, die dort eingelagert wurden, um zu verrotten. Die drei schmuggeln Taschen voller Geld heraus – und entwickeln mit Nachbar:innen ein ausgeklügeltes System, um das inzwischen wertlose Geld in Waren zu tauschen.

annabelle: Frau Hüller, «Zwei zu eins» spielt in den letzten Monaten der DDR, eine Zeit der grossen Veränderung. Auch Maren, die Sie spielen, befindet sich in einer Zeit des Wandels. Welcher Wandel, den Sie kürzlich gewagt haben, hat Ihr Leben positiv verändert?
Sandra Hüller: Ich habe aufgehört Alkohol, zu trinken. Das ist ein Wandel. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den realen Dingen und den sich vielleicht gedachten – alles findet tatsächlich statt. Und alles hat plötzlich den gleichen Wert, weil es mir geschieht, nicht einer Variante von mir, die durch eine Substanz beeinflusst ist. Das hat auch etwas mit einem Gefühl von Freiheit zu tun.

Ein Wandel dürften auch die vergangenen Monate für Sie gewesen sein. Was hat das letzte Jahr mit Ihnen gemacht?
Das sind immer nur Ausschnitte. Was ich sagen kann, ist, dass es wirklich eine sehr besondere Ausnahmesituation war. Und dass es so gut gelaufen ist, wie niemals jemand sich das hätte ausdenken können. Vieles davon war Glück, das durch harte Arbeit erreicht worden ist, durch viel Strategie von Studios und allen Beteiligten. Es ist schön, die Welt so zu bereisen und in dieser Blase zu sein. Es ist aber eben eine Blase.

Sie sagen, es ist eine Blase, ein Glücksfall. Aber über Sie rollte eine unglaubliche Erfolgswelle, Sie wurden unter anderem für einen Oscar nominiert. Wie muss man sich das vorstellen, wie hat sich Ihr Leben verändert? Und worauf sind Sie besonders stolz?
Mein Leben an sich, wie ich es zu Hause führe, hat sich überhaupt nicht verändert. Wenn, dann bin ich schon auch darauf stolz: Dass ich geschafft habe, dass alles genau so bleibt. Es ist komisch darüber zu sprechen. Ich bin einfach dankbar, dass es so passiert ist – es gibt, wie gesagt, tausend mögliche Szenarien für so eine Situation. Das war eines der absolut schönsten. Und dann ausgerechnet mit diesen beiden Filmen, die so viele Menschen auf unterschiedliche Art berühren, inspirieren oder über ihr Leben nachdenken lassen. Oder ihren Umgang mit ihrer eigenen Ignoranz oder ihren eigenen Beziehungen reflektieren lässt. Wie sehr Menschen persönlich davon berührt worden sind, ist für mich das Tollste. Schliesslich geht es genau darum.

Was meinen Sie?
So viele Leute haben diese Filme gesehen und sprechen uns immer noch darauf an. Wenn ich etwa über «Anatomy of a Fall» nachdenke, haben einige Frauen und auch Männer in ihren Beziehungen plötzlich dieses Vokabular zur Verfügung, das sie im Film gesehen haben.

Nach zwei sehr ernsten Filmen sind Sie nun in «Zwei zu eins» mit deutlich leichterer Kost auf der Leinwand zu sehen. Was hat Sie am Projekt und an der Rolle der Maren gereizt?
Ich fand diese Mischung aus Melancholie und Leichtigkeit faszinierend, die Natja Brunckhorst entstehen lassen konnte. Und an Maren gefiel mir, dass sie irgendwie nicht zu beschädigen ist. Sie ist eine sehr praktische, positive Person, die sich aus allem immer das Beste raussucht – ohne eine Opportunistin zu sein. Sie findet immer eine Alternative zu dem, was scheinbar möglich ist.

Maren ist eine mutige Figur, eine Abenteurerin und Revoluzzerin. Inwiefern können Sie sich mit ihr identifizieren? 
Mein Beruf hat viel mit mutig sein zu tun. Oder damit, Angst zu überwinden – obwohl das keine lebensbedrohlichen Momente sind, auch wenn der Körper einem das gerne erzählt. Ich glaube, ich bin oft mutig. Zum Beispiel sage ich öfters in Situationen meine Meinung oder äussere Einwände, wenn es nicht angebracht ist. Aber dass ich (wie Maren, Anm. d. Red.) in irgendwelche geheimen Schächte eingestiegen wäre oder was Illegales gemacht hätte, kann ich nicht behaupten.

Wie gehen Sie eigentlich vor, wenn Sie Rollen aussuchen, was ist Ihnen dabei wichtig?
Wenn ich das wüsste, würde ich das immer gleich vorsortieren lassen, aber so einfach ist es leider nicht. Die Auswahl meiner Rollen hat viel damit zu tun, wo ich gerade im Leben stehe: Also, ob ich Zeit dafür habe, ob mir ein Stoff zu schwer oder zu leicht ist. Manchmal habe ich Geschichten auch schon hundert Mal gelesen und kann mir bereits vorstellen, wie es ausgeht. Auch der Tonfall ist entscheidend.

Inwiefern?
Es kann schwierig sein, wenn man Bücher in einer anderen Sprache liest. Ich weiss oft nicht genau, ob ich die Feinheiten dessen, was verhandelt wird, wirklich verstanden habe, oder nur die Fakten, um die es geht. Oft, auch in «Zwei zu eins», wird eine Atmosphäre ein Stück weit gar nicht damit erzeugt, was Figuren sagen. Sondern durch die Art, wie sie eben gerade nicht reagieren. Das ist manchmal nicht so einfach rauszufinden. Ich kann es schlecht an einer bestimmten Sache festmachen. Es ist bei mir der Bauch, der über eine Rolle entscheidet.

Mussten Sie erst lernen, auf Ihr Bauchgefühl zu vertrauen, oder ist das etwas, das Sie schon länger beherrschen?
Bei meiner Arbeit habe ich schon immer darauf gehört. Anfangs kann man sich im Festengagement am Theater die Rollen nicht aussuchen und kriegt alles Mögliche zu spielen, Gott sei Dank. Wenn es etwas zu lernen gibt, ist das toll. Aber wenn ich es entscheiden konnte, habe ich es schon immer so gemacht. Es ist wie ein Impuls – und ich muss diesen auch manchmal revidieren. Manchmal habe ich so einen Impuls und denke drei Tage später überhaupt nicht mehr an die Figur. Dann merke ich, dass der Stoff gar nicht mehr so präsent ist oder sich für mich erledigt hat. Manchmal braucht man auch ein bisschen länger, um zu merken, ob es nur eine Verliebtheit mit einer Rolle war oder ob es länger hält.

Wie verabschieden Sie sich am Ende eines Projekts von Ihren Figuren? Viele Schauspieler:innen haben Mühe damit, sich davon zu trennen.
Es ging mir früher auch so. Als ich angefangen habe, waren diese Grenzen zwischen meinem Leben und dem Leben von Figuren sehr verschwommen. Das hatte aber damit zu tun, dass ich nicht richtig wusste, wer ich bin und was ich brauche. Oder auch, was die Abwesenheit von Drama ist. Das gelingt jetzt aber ganz gut und hat viel mit der Arbeit mit Johan Simons am Theater (Intendant am Bochumer Schauspielhaus, Anm. d. Red.) zu tun. Ich weiss ja, dass das nicht meine Worte sind und ich ein Kostüm, manchmal eine Perücke anhabe. Es kommt zwar aus mir, die Gedanken sind aber von jemand anderem – ich habe diesbezüglich keine Schwierigkeiten. Es fällt mir manchmal schwer, mich von Teams zu lösen oder Kolleg:innen, weil es doch eine sehr intensive Gemeinschaft ist, die bei so einem Projekt entsteht. Aber auch das geht mit der Zeit einfach vorbei.

Und was ist die wichtigste Lektion, die Sie bis jetzt in Ihrer Karriere gelernt haben?
Ruhig bleiben. Einfach ruhig bleiben.

«Zwei zu eins» startet am 25. Juli in den Deutschschweizer Kinos.

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