Werbung
Gegen Diet Culture: Wie mir Spinning endlich Hoffnung gab

Body & Soul

Gegen Diet Culture: Wie mir Spinning endlich Hoffnung gab

Problematische Körperbilder, abwertende Kommentare, Selbsthass: Unsere Autorin war jahrelang auf der Suche nach einer Sportart, die ihr Freude macht. Dann verhalf ihr eine Spinning-Class unverhofft zu einem neuen Gefühl von Hoffnung.

Ich war nicht das sportlichste Kind. Durch den Sportunterricht quälte ich mich mehr schlecht als recht – und der Spass, den andere an Sportarten wie Tanzen, Reiten oder Fussball hatten, war mir suspekt. Rückblickend glaube ich, dass Sport für mich insgeheim schon immer mit einem Gefühl des Scheiterns und der Beurteilung von aussen verbunden war. Bei der Leichtathletik-Überprüfung in der Schule schnitt ich nie besonders gut ab, beim Joggen lag ich im hinteren Drittel.

Ich versuchte mich damit abzufinden: Sporty Spice, das werde ich nie sein. Was im Gegensatz zu einer Leidenschaft für Sport schon immer viel Platz in meinem Kopf einnahm: Die Überzeugung, dass mein Körper falsch ist. Zu dick, nicht so «schön» wie der von anderen. Ja, mir ist natürlich schmerzlich bewusst, wie toxisch diese Denkweise ist, die vor Selbsthass und problematischen Idealen strotzt. Loswerden konnte ich sie leider viel zu lange nicht, so sehr ich es auch versuchte.

Spätestens ab dem Moment in meiner Kindheit, in dem eine Vertrauensperson «scherzhaft» feststellte, dass ich ganz schön schwer sei, befand ich mich mehr oder weniger bewusst im Krieg mit meinem Körper. Und auch die Diät-Kultur, die mein Aufwachsen geprägt hat, hat ihr Übriges getan: In den 2000ern war ich als Teenie umgeben von Stars wie Britney Spears oder Christina Aguilera, die in Medien als «fett» bezeichnet wurden, obwohl sie es ganz offensichtlich nicht waren. Ich sah Filme wie «Bridget Jones», in denen mir verklickert wurde, dass eine Frau mit etwa 60 Kilo ein peinliches, unansehnliches Moppelchen war.

Sport als Mittel, sich selbst klein zu machen

Und dann waren da auch noch diverse Erfahrungen mit Männern und Jungs, die ich über die Jahre sammelte. Ob ich wirklich so eine kurze Hose tragen wolle, fragte mich einmal ein Bekannter im «Spass» bei einem Konzert im Hochsommer, mit Blick auf meine Schenkel. Ich habe diese Situation nie vergessen – und auch nicht den Stich in die Magengrube, die mir diese Aussage verpasste.

All diese Gedanken und Gefühle trieben mich ab dem Alter von etwa 20 Jahren an, Sport zu machen. Und zwar nicht, um meinem Körper und meiner psychischen Gesundheit etwas Gutes zu tun oder weil mir Bewegung Freude bereitete. Ich wollte abnehmen – oder mein aktuelles Gewicht zumindest halten. Ich wollte gefallen und weniger Raum einnehmen, im wörtlichsten aller Sinne.

Ich meldete mich im Fitnessstudio an, machte Zirkeltraining, strampelte mich auf dem Crosstrainer ab, besuchte Bauch-Beine-Po-Kurse. Ich versuchte Yoga und Pilates, ging zum Boxen. Während der Corona-Pandemie begann ich zu joggen und erreichte den Tiefpunkt meiner Sport-Reise: Ich quälte mich durch jeden Lauf und fühlte mich danach noch schlechter als vorher. Aber ich zog es durch – weil ich Sport als etwas ansah, das ich eben ertragen musste, um mich für eine Welt zu optimieren, die mir jahrzehntelang vermittelt hat, dass ich nicht richtig bin. So lange, bis ich es glaubte. Bis vor Kurzem.

Ich gehöre nicht in die «Fitness-Welt»

Vor einigen Jahren habe ich den Film «I Feel Pretty» mit Amy Schumer gesehen, in dem sie das amerikanische Spinning-Studio «SoulCycle» besucht. Dort radelten die Besucher:innen zu lauter Musik, zu der sie auch noch eine kleine Choreo ausführten. Die Atmosphäre im Trainingsraum glich der eines Clubs: Dunkle Räume, bunte Lichter, Trainer:innen, die einen anfeuern.

Alle sahen glücklich aus und schienen an ihrem gemeinsamen Training Spass zu haben. Diese Vorstellung hat mich nie losgelassen, auch wenn ich mir sagte: Das ist nur ein Film – und diese Menschen leiden bestimmt genauso wie du bei deiner verhassten Joggingrunde.

In den letzten Jahren hat sich Spinning im Stil von «SoulCycle» zu einem regelrechten Hype entwickelt, der sich nicht nur auf die USA beschränkt: Ähnliche Indoor-Cycling-Studios wie «SoulCycle» gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz mittlerweile genauso wie in Spanien oder Grossbritannien. In der Schweiz ist «Open Ride» eines der bekanntesten Spinning-Studios. 2018 eröffnete der erste Standort in Zürich, Anfang 2024 kam eine Filiale in Basel dazu, insgesamt radeln 7000 Kund:innen regelmässig in den beiden Studios.

«Hier kann ich mich fallen lassen»

Gina Buhl ist seit knapp eineinhalb Jahren Trainerin bei «Open Ride» und lernte das Konzept im Jahr 2016 in den USA kennen: «Meine Freundin und ich waren massiv überfordert mit den Bewegungen und den – aus damaliger Sicht – recht intensiven Anweisungen des Instructors, der uns Anfängerinnen irgendwelche inspirierenden Quotes zugerufen hat, während wir eigentlich nur versucht haben, zu überleben.» Sie erzählt weiter: «Schon beim zweiten Mal, diesmal bei ‹Open Ride›, hab ich es geliebt. Direkt nach dem ersten Ride habe ich gecheckt: Hier kann ich mich fallen lassen, mein Gehirn ausknipsen und einfach sein – und niemanden kümmert es. Und genau deshalb bin ich immer wieder aufgestiegen.»

«Open Ride» will die «Fitness-Welt für so viele Menschen wie möglich öffnen», sagt sie. Und im September des vergangenen Jahres fragte ich mich, ob Spinning vielleicht endlich die Sportart sein könnte, die für mich diese «Fitness-Welt» öffnet. Ich befürchtete ehrlich gesagt einen weiteren Fail, aber meldete mich trotzdem für einen Kurs bei «SuperCycle» an, einem Studio in meiner Heimatstadt Wien. Immerhin musste ich doch irgendwas tun, um meinen Körper in Schach zu halten, sagte mir meine innere Diet-Culture-Stimme.

Akzeptanz statt Selbsthass

Als ich dort für meinen ersten Kurs auftauchte, hatte ich Angst. Würden mich die anderen sofort als unsportliche Kartoffel enttarnen? Mich komisch anschauen, wenn ich das Tempo nicht halten kann? Oder – meine Horrorvorstellung! – meine Schenkel beäugen, so wie damals dieser Typ auf dem Konzert?

Ich hatte eine Pop-Class bei einer Trainerin namens Emma gebucht, weil ihre Playlist toll klang. Dua Lipa, Taylor Swift, Little Mix. Das ist die Musik, die ich privat höre, Musik, die mich motiviert und mir Kraft gibt. Ich strampelte also 45 Minuten lang zu meinen liebsten Pop-Songs und konnte gar nicht fassen, was hier vor sich ging: Ich machte das erste Mal Sport, der mir Spass machte – und das, obwohl es verdammt anstrengend war und ich nicht wirklich wusste, was ich da gerade für ungelenke Bewegungen auf diesem Rad vollführte.

Egal, ob jemand unsere Schenkel zu dick findet

Ich war umgeben von Frauen mit den verschiedensten Körpern und es war allen völlig egal, wie ich aussah. Alle sangen mit, feuerten sich gegenseitig an, hier wurde niemand verurteilt und in Kategorien wie «sportlich» und «unsportlich» oder «gut» und «schlecht» eingeteilt. Alle in diesem Raum schienen sich einig zu sein: Wir machen harten Sport zu unserer liebsten Musik und es ist völlig egal, ob jemand unsere Schenkel zu dick findet.

Als während meiner ersten Spinning-Stunde dann auch noch der Song «What Makes You Beautiful» von One Direction lief, zu dem wir alle sprinten sollten, so schnell wir konnten, kam mir eine kleine Träne. Das klingt ein wenig dramatisch, ich weiss. Aber ich realisierte, dass das hier der Safe Space war, nach dem ich so lange gesucht hatte.

Auch «Open Ride»-Instruktorin Gina Buhl kennt dieses besondere Gefühl, das während einer Spinning-Class entsteht: «Man kann alleine zum Spinning gehen, ohne sich doof zu fühlen. Oder man trifft Freund:innen und hat eine gute Zeit.» Das Besondere ist, dass eigentlich immer irgendeine Art von Verbindung entsteht, egal ob zu einem selbst, zu anderen, zu Instruktor:innen, zur Musik, sagt Buhl. «Ich glaube, es geht ganz unabhängig von Gender, Alter oder Background darum, dass Menschen hier einen Ort haben, an dem sie alles um sich herum vergessen können: das zahnende Kleinkind, den nervigen Chef, das floppige Tinder-Date – und damit auch die Erwartungen, die sie erfüllen müssen.»

Mittlerweile habe ich meinen dritten Kurs-Zehnerblock leer gemacht – und es wird nicht mein letzter gewesen sein. Ich denke aktuell nur sehr selten darüber nach, wie viele Kalorien ich beim Spinning verbrenne oder wie viel ich gerade wiege. Natürlich ploppen diese Gedanken und Erlebnisse von früher manchmal in meinem Kopf auf, denn seien wir ehrlich: Wer von uns kann all das schon in so kurzer Zeit verlernen? Aber sie nehmen so wenig Platz ein wie noch nie. Und das ist doch ein ziemlicher Gewinn.

Subscribe
Notify of
guest
4 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Anna

Ein schönes Beispiel für die gute Zusammenarbeit von Redaktion und Werbeabteilung. Müsste so ein Artikel nicht als Werbung gekennzeichnet werden?

Thomas Meister

Es ist großartig, so etwas zu finden nach so vielen Ärgernissen und Enttäuschungen. Sicher gibt es für jeden so einen sicheren Hafen, wo man einfach man selbst sein kann, ohne ständig be- und verurteilt zu werden für wer und wie man ist. Es ist traurig, dass das heute immer noch so gang und gäbe ist, obwohl mittlerweile ständig Body Positivity gepredigt wird. Das wirklich verstehen und umsetzen tut leider kaum jemand.

Doch diese Erfahrungen machen froh und geben Hoffnung, vielen Dank fürs Teilen in diesem Artikel!

Etno

Schön, dass die Autorin etwas gefunden hat, das ihr Spaß macht. Der Artikel weckt die Lust, das auch mal auszuprobieren. Zum Thema Sport kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Wenn man es nur macht, um abzunehmen oder um Kalorien zu verbrennen, wird es immer eine Quälerei bleiben – und davon abgesehen ist es ein Leichtes, die verbrannten Kalorien wieder aufzuessen. Viel erfolgversprechender ist die intrinsische Motivation, besser zu werden – also zum Beispiel beim Joggen auf eine Laufveranstaltung hinzuarbeiten und dabei zu sehen, wie man langsam aber sicher Fortschritte macht und schneller wird. Ähnliches geht natürlich auch in anderen Sportarten. Dann ist der Kalorienverbrauch eher ein netter Nebeneffekt – im Gegenteil wird man vielleicht sogar noch versucht sein, Proteinpulver zu sich zu nehmen, um Muskelaufbau und Regeneration zu unterstützen.